Schon der erste Satz dieser umfangreichen Studie zeigt, dass es dem Autor nicht um theologische Glasperlenspiele geht: „In den vergangenen drei Jahrzehnten trafen mich mehrmals Augen von Überlebenden der Schoa.“ Die Verfolgungsgeschichte der Juden, die in der Schoa kulminierte, bleibt auf den folgenden 900 Seiten präsent, auch wenn Wolfgang Treitler, der in Wien Fundamentaltheologie betreibt, zuvörderst die christliche Spitzenaussage – Jesus ist der Christus, Messias und Sohn Gottes – zu bedenken sucht. Dieses Bekenntnis wurde zum unterscheidend Christlichen, zum Ausgrenzenden auch. Vor allem gegenüber den Juden, die post Christum keine messianische Wende zu erkennen vermochten, das Bekenntnis somit nicht teilten; die zudem recht bald als Antichristen, als „Gottesmörder“ gar, diffamiert...
Dieser Band stellt eine Sammlung von Einzelbeiträgen dar, die je für sich lesbar sind. Gemeinsam ist ihnen die Auseinandersetzung mit dem, was Jürgen Werbick im Untertitel die „Kirchenerschöpfung“ nennt, und es spricht für ihn, dass er nicht in den Chor derer einstimmt, für die sich die Kirche auf das Thema „Missbrauch“ reduziert, sondern seine Diagnose tiefer ansetzt.
So ist dem Autor die Gegenwart durch ein „innerkirchliches Schisma“ geprägt, das die Kirche horizontal durchzieht. In ihrer institutionell verfassten Gestalt erscheint diese Kirche ihm als ein System der Macht, das mit dem Gestus des Wahrheitsbesitzes auftritt und die Glieder dessen zu disziplinieren beansprucht, was Paulus den organischen „Leib Christi“ nannte. Die Bestimmung des Menschen als Sünder breche dabei das...
„Kann der Glaube glücklich machen?“ Das ist nur eine von etlichen Fragen, die Eugen Drewermann in einem neuen Gesprächsband aus der im Patmos-Verlag erscheinenden Reihe „Eugen Drewermann antwortet jungen Menschen“ (bisher 2021: „Gott, wo bist Du?“ und 2023: „Das Geheimnis des Jesus von Nazareth“) gestellt bekommt. Die Frage ist keine Frage, von der bloß anzunehmen wäre, dass sie einen 17-Jährigen beschäftigen könnte. Sie stammt tatsächlich von einem jungen Menschen und wurde Eugen Drewermann am 16. März 2023 zum ersten Mal gestellt, als er zu Besuch im Aachener Kaiser-Karls-Gymnasium war, um unter dem Motto „Was kommt auf uns zu?“ mit Schülerinnen und Schülern aus Religions- und Philosophiekursen der Sekundarstufe II zu sprechen. Heribert Körlings, pensionierter Lehrer am...
Wenn man lesend den Kosmos Heinrich Heines (1797-1856) betritt, nähert man sich gleich zwei Welten: einmal der eines der herausforderndsten deutschsprachigen Dichter seiner Epoche, darin ganz und gar individuell und einzigartig; gleichzeitig aber auch dem Leben einer repräsentativen Gestalt, hin- und hergerissen zwischen den Welten des ererbten Judentums und der durch Konversion erschlossenen Welt des (evangelisch geprägten) Christentums.
Dass Heines Konversion kaum einer wirklich religiösen Überzeugung entsprochen hatte, dass er sie umgehend bereuen und später herunterspielen würde, das war bekannt. Auch, dass diese Taufe ihm primär als billet d’entrée zur kulturellen Zugehörigkeit dienen sollte – eine Wunschvorstellung, die sich nicht erfüllen würde –, gehörte zum Allgemeinwissen über...
Meister Eckhart ist in aller Munde, die Begine Marguerite Porete und ihr damaliger Bestseller „Der Spiegel der einfachen Seelen“ stehen dagegen immer noch im Schatten; die historischen und spirituellen Kontexte beider sind nur Fachleuten bekannt. Diesem Notstand hilft dieses originelle Buch ab, informativ und unterhaltsam, nicht ganz leicht zu lesen, weil mit viel Basisinformationen gefüllt, aber im Verlauf immer spannender und sehr ergiebig. Wer Meister Eckharts Denken historisch genauer verstehen will, erfährt viel Neues; und die ekstatische Geist- und Freiheitsmystik der Begine ist allererst noch zu entdecken.
Etienne, der Sohn des Bürgermeisters und Polizeichefs von Paris, als Leutnant in Armee und bei Hofe bestens vernetzt, ist inzwischen als Zisterziensermönch in Südfrankreich...
Die Sexualmoral der katholischen Kirche zählt zu den „heißen Eisen“. Denn die Morallehre zu Sexualität, Ehe und Familie wird längst disziplinierend eingesetzt: Verschiedene Gruppen innerhalb der katholischen Kirche messen das Katholisch-Sein einer Person schlicht daran, ob sie der kirchlichen Morallehre zu Sexualität, Ehe und Familie zustimmt und keine Normen in Frage oder Diskussion stellt. Wer das Fach Moraltheologie vertritt, kann mit sexualethischen Publikationen schnell auch in Stress und Konflikt mit dem Vatikan geraten. Der Autor dieses Buches kennt die Gefahr solcher Konsequenzen aus eigener Erfahrung seit langem.
Martin M. Lintner ist Professor für Moraltheologie und Spirituelle Theologie in Brixen. Er befasst sich seit vielen Jahren mit der kirchlichen Sexualmoral. Dieses...
Die mit „Homosexualität“ verbundene Kennzeichnung ordnet Menschen ein, separiert und diskriminiert sie. Deshalb will der Autor dieses stigmatisierende Wort aus der Hölle der Abstraktion herausholen (Kapitel I). Seine Ausführungen aus einem theologischen Interesse haben einen historischen Schwerpunkt.
Norbert Reck zeichnet nach, wie es zu dem abendländischen Denken über die Homosexualität gekommen ist. Aus der biblischen Überlieferung (Kapitel II) bis zur Neuzeit (Kapitel III) ergibt sich eine bestimmte Weise, über gleichgeschlechtliche Beziehungen zu reden, die Homosexualität zu erfinden und auf die Menschen mit dieser als defizitär betrachteten Neigung heilend oder beseitigend zu reagieren (Kapitel IV). Vertreter der modernen Psychologie kritisieren die Kategorisierung von Menschen als...
Liebe geht aufs Ganze! Unter diesem Motto stellt der Autor Chancen zum Lieben dar, ohne dessen Grenzen zu verleugnen. Die Liebe im 21. Jahrhundert kennzeichnet er realistisch als zwar fragile, kontingente, zudem wie eine Ware kapitalistischen Marktmechanismen unterworfene, jedoch faszinierende, sinnstiftende menschliche Möglichkeit. Der Sinn und die Praxis des Ehesakraments sind dafür neu zu justieren. Herausgelöst aus der Hülle eines doktrinären Moralismus, muss es von der Realität unterschiedlicher, sich entwickelnder menschlicher Lebensgemeinschaften ausgehen. So wird das mögliche Scheitern ebenso berücksichtigt wie die vielfältigen Lebens- und Ausdrucksmöglichkeiten der Liebe und des Begehrens. Weil Gott christlich gesehen die Liebe ist, glühen dabei sogar die Drähte.
Dagegen glüht in...