Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Konrad Hilpert / Jochen Sautermeister (Hg.): Kirchliche Sexualmoral vor dem Abgrund?

Das Positionspapier des synodalen Weges „Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ vonAnfang September 2022 (https://www.synodalerweg.de/fileadmin/Synodalerweg/Dokumente_Reden_Beitraege/SV-IV/SV-IV_Synodalforum-IV-Grundtext-Lesung2.pdf) hat die Zustimmung der überwältigenden Mehrheit der Delegierten, auch der Mehrheit der Bischöfe gefunden, wurde aber dennoch nicht verabschiedet, weil Beschlüsse nach dem Statut des synodalen Weges einer Zweidrittelmehrheit der Bischöfe bedürfen, die knapp nicht zustande kam. Durch das Buch zieht sich als roter Faden die Absicht, das Positionspapier umfassend mit Argumenten aus den wichtigsten Teilfächern der Theologie und mit Blick auf die zuständigen Humanwissenschaften zu rechtfertigen.

Konrad Hilpert greift im...

Thomas Großbölting: Die schuldigen Hirten

Im Jahr 2022 erschien eine umfangreiche Studie zu sexuellem Missbrauch im Bistum Münster und dem amtskirchlichen Umgang damit, an welcher Thomas Großbölting zusammen mit vier anderen Autoren mitgearbeitet hat (Bernhard Frings / Thomas Großbölting / Klaus Große Kracht / Natalie Powroznik / David Rüschenschmidt: Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945, Freiburg 2022). Mit der vorliegenden Monografie legt der Autor die Quintessenz dieser Studie vor. Anders als der Haupttitel zunächst suggeriert, blickt er dabei nicht nur auf die „Hirten“, also klerikale Täter und deren Vorgesetzte in der Bistumsleitung, sondern auch auf das Umfeld, in dem Missbrauch vorkam, auf Strukturen und systemische Zusammenhänge....

Friedrich Wilhelm Graf: Ernst Troeltsch. Theologie im Welthorizont

Der Münchner emeritierte Professor für Systematische Theologie und Ethik Friedrich Wilhelm Graf erinnert in seiner umfangreichen Biographie an einen der brillantesten Intellektuellen des deutschen Kaiserreichs und der frühen Weimarer Republik: den Theologen, Kulturphilosophen und politisch engagierten Zeitgenossen Ernst Troeltsch. In dessen Leben und Werk spiegeln sich die sozialen und geistigen Umbrüche der Zeit sowie ihre Folgen für die christliche Existenz und das theologische Denken. Troeltsch setzt sich diesen Wandlungsprozessen als Denker und politisch handelnder Zeitgenosse aus. So entsteht das Bild eines außergewöhnlichen Intellektuellen im Spannungsfeld von Glauben und modernem Denken, dessen Interessenvielfalt und Intensität seiner Engagements ihn zu einer innerlich...

Volker Reinhardt: Montaigne. Philosophie in Zeiten des Krieges

Es ist gewiss nicht nur seine Einschätzung der 40-tägigen Quarantäne während der Pest, in der sich Michel de Montaigne (1533-1592) als unser Zeitgenosse erweist: In dieser Zeit „tobt sich die Einbildungskraft erst richtig aus und macht die Gesunden krank“ (zit. 243). Gewiss stünde er jedoch nicht auf der Seite der Querdenker, dazu hat er ein zu ausgeprägtes Bewusstsein für die Bedeutung einer stabilen – was damals hieß: aristokratischen und katholisch begründeten – Ordnung. Gleichzeitig fordert er diese durch seinen Skeptizismus heraus, kritisierte vor allem die Korruption (120) und wurde deswegen häufig als Nestbeschmutzer angesehen. So wurde einerseits seine ansehnliche Karriere, die er bis zum Magistraten und Bürgermeister von Bordeaux gebracht hatte, wegen seiner ironischen...

Carmen Roll, Christoph Kürzeder, Steffen Mensch, Marc-Aeilko Aris (Hg.) Verdammte Lust! Essays

In zwanzig Essays entfaltet der vorliegende Band ein breit angelegtes Sittengemälde des abendländischen Christentums von der Spätantike bis ins 19. Jahrhundert. Er kann, unabhängig vom Katalog der gleichnamigen Ausstellung, als in sich geschlossenes Werk gelesen werden.

Der durch die Sünde der Ureltern geschwächte Wille zum Guten lässt den Menschen seither im Geschirr seiner Affekte und Leidenschaften als deren Sklave einhergehen (Augustinus). Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, sein Tod am Kreuz und seine Auferstehung heilen diese schwärende Wunde im Wesen des Menschen. Die folgenden Jahrhunderte deuten die Lehre des Augustinus von der Ursprungssünde als primär moralischen Defekt. Askese im Sinne der Abtötung des Leibes und seiner sexuellen Begehrlichkeit wird zum Ersatz für das...

Stephanie Höllinger / Stephan Goertz: Sebastian. Märtyrer – Pestheiliger – Queere Ikone

 

Die beiden in Mainz Moraltheologie lehrenden Stephanie Höllinger und Stephan Goertz erzählen in ihrem Buch die Karriere eines der volkstümlichsten Heiligen, die diesen vom römischen Stadtpatron zum Pestheiligen führt und schließlich zu einem Identifikationsobjekt der außerkirchlichen Schwulen- und Queerenbewegung werden lässt.

Nach der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine aus dem 13. Jahrhundert war Sebastian Offizier in der Prätorianergarde des Kaisers Diocletian. Wegen seines Bekenntnisses zum Christentum wurde er zum Tode verurteilt und durch Pfeile von Bogenschützen hingerichtet. Wie durch ein Wunder überlebte er dieses erste Martyrium, wurde daraufhin mit Knüppeln erschlagen und seine Leiche in die Cloaca Maxima geworfen. Doch die Christin Lucina rettete den Leichnam und bestatte...

Holger Brülls: Reise ins Licht

Wer „Glasmalerei“ mit Sachsen-Anhalt in Verbindung bringt, wird sich vermutlich an die strahlenden Fensterbahnen der mittelalterlichen Dome von Halberstadt, Havelberg, Naumburg oder Stendal erinnern. Die meisten Kirchenfenster stammen indes aus dem 19. Jahrhundert. Nun legt Holger Brülls, Konservator und ausgewiesener Fachmann für Glaskunst, ein Buch zur „Glasmalerei in Sachsen-Anhalt vom Expressionismus bis zur Gegenwart“ vor. Das umfangreiche Werk versteht sich als „inventarisatorisches Überblickswerk“ und als „denkmalpflegerischer Werkbericht“ (15) – und wendet sich über das Fachpublikum hinaus an Menschen, die an moderner Glasmalerei interessiert sind.

Die fünf Hauptkapitel sind gleich aufgebaut: Nach einem Überblick zu den jeweiligen kunsthistorischen Hintergründen und...

Kathrin Müller: Das Kreuz. Eine Objektgeschichte des bekannten Symbols von der Spätantike bis zur Neuzeit

In unseren alltäglichen Zusammenhängen erscheint das Kreuz zunächst als Wort und (Bild-)Objekt unproblematisch. Redewendungen wie: „Es ist ein Kreuz mit …“ oder: „XY trägt ein schweres Kreuz“ gehen uns leicht über die Lippen oder man nehme die Tatsache, dass die Ex-Kanzlerin ein „Groß-Kreuz“ als Orden verliehen bekam: Das Phänomen Kreuz regt in diesen Kontexten kaum zu einem strittigen Diskurs an. Es gibt jedoch Lebenszusammenhänge in Gesellschaft und Politik, in denen reale Spannungen zutage treten, etwa dann, wenn man realisiert, dass im Blick auf transnationale humanitäre Hilfeleistungen islamische Länder unter dem Titel „Roter Halbmond“ und Israel entsprechend unter dem „roten Davidstern“ statt unter dem Titel „Rotes Kreuz“ firmieren… Heftiges Konfliktpotential um das Kreuz als...