Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thomas Großbölting: Die schuldigen Hirten

Im Jahr 2022 erschien eine umfangreiche Studie zu sexuellem Missbrauch im Bistum Münster und dem amtskirchlichen Umgang damit, an welcher Thomas Großbölting zusammen mit vier anderen Autoren mitgearbeitet hat (Bernhard Frings / Thomas Großbölting / Klaus Große Kracht / Natalie Powroznik / David Rüschenschmidt: Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945, Freiburg 2022). Mit der vorliegenden Monografie legt der Autor die Quintessenz dieser Studie vor. Anders als der Haupttitel zunächst suggeriert, blickt er dabei nicht nur auf die „Hirten“, also klerikale Täter und deren Vorgesetzte in der Bistumsleitung, sondern auch auf das Umfeld, in dem Missbrauch vorkam, auf Strukturen und systemische Zusammenhänge....

Friedrich Wilhelm Graf: Ernst Troeltsch. Theologie im Welthorizont

Der Münchner emeritierte Professor für Systematische Theologie und Ethik Friedrich Wilhelm Graf erinnert in seiner umfangreichen Biographie an einen der brillantesten Intellektuellen des deutschen Kaiserreichs und der frühen Weimarer Republik: den Theologen, Kulturphilosophen und politisch engagierten Zeitgenossen Ernst Troeltsch. In dessen Leben und Werk spiegeln sich die sozialen und geistigen Umbrüche der Zeit sowie ihre Folgen für die christliche Existenz und das theologische Denken. Troeltsch setzt sich diesen Wandlungsprozessen als Denker und politisch handelnder Zeitgenosse aus. So entsteht das Bild eines außergewöhnlichen Intellektuellen im Spannungsfeld von Glauben und modernem Denken, dessen Interessenvielfalt und Intensität seiner Engagements ihn zu einer innerlich...

Paul Kirchhof: Religion und Glaube als Grundlage einer freien Gesellschaft

Der Jura-Professor und ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Paul Kirchhof widmet sich mit seinem Buch – in den Erfahrungen mit einem „kämpferischen Laizismus“ – der Frage, ob es einen freiheitlichen Staat ohne Religion geben kann. Der erste Teil besteht aus Vorlesungen des Autors. Im zweiten Teil sind Beiträge der Mitglieder der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Regensburg mit Repliken des Autors abgedruckt.

Paul Kirchhof beginnt sein Werk mit grundlegenden Ausführungen zur „Freiheit“. Er beleuchtet zunächst Eigenheiten und Gemeinsamkeiten der Staatsrechtswissenschaft und der Theologie und betont, dass Freiheit nicht Beliebigkeit ist, sondern auch Respekt für die Freiheit des anderen und der Rechtsgemeinschaft erfordert – ein Aspekt, der (modifiziert) im...

Peter Moore: Die Neuerfindung der Religion

Der Titel des Werkes ist höchst ambitioniert. „Reinventing Religion“, so heißt es im englischen Original, und der Leser merkt rasch, dass es dem Autor weniger darum geht, das so altehrwürdige wie komplexe System „Religion“ tatsächlich „neu zu erfinden“, als vielmehr darum, es zu revitalisieren, Spreu vom Weizen zu trennen.

Für Peter Moore (*1945), der vier Jahrzehnte lang Religionswissenschaft in Kent lehrte, lässt sich Religion nur zum Preis einer irreführenden Einfachheit auf eine Formel bringen. Gleichwohl reagiere, so seine Annahme, jede religiöse Gemeinschaft auf Erfahrungen des Heiligen und Transzendenten. Die Weise dieser Reaktion profiliere dann eine Religion. Näherhin entdeckt Moore vier essentielle Dimensionen: Erleben, Praxis, Theorie, Institution. Bevor er diese und andere...

Robert N. Bellah: Der Ursprung der Religion

Das Buch beginnt mit Hans Joas’ vorzüglicher Einleitung in die Biografie und das Denken im Themenkreis einer „Globalgeschichte der Religion“ (XIX) des bekannten Religionssoziologen Robert Bellah. Dann kommt der Autor selbst zu Wort. Bellah bezieht sich in seiner differenzierten Erarbeitung des begrifflichen Instrumentariums seiner Darstellung der Religiosität der „Achsenzeit“ (1. Jahrtausend vor Christus) immer wieder auf andere Autoren, deren Bedeutung für sein Denken er würdigt. Wenn ich im Folgenden seine grundlegenden Denkfiguren skizziere, dann verzichte ich der Übersichtlichkeit willen außer bei Zitaten auf Namensnennungen.

Bellah geht im ersten Schritt von der Voraussetzung aus, dass am Beginn der Religion die Erzeugung von dauerhaft wirkenden „Stimmungslagen und Motivationen“ (9)...

Carmen Roll, Christoph Kürzeder, Steffen Mensch, Marc-Aeilko Aris (Hg.) Verdammte Lust! Essays

In zwanzig Essays entfaltet der vorliegende Band ein breit angelegtes Sittengemälde des abendländischen Christentums von der Spätantike bis ins 19. Jahrhundert. Er kann, unabhängig vom Katalog der gleichnamigen Ausstellung, als in sich geschlossenes Werk gelesen werden.

Der durch die Sünde der Ureltern geschwächte Wille zum Guten lässt den Menschen seither im Geschirr seiner Affekte und Leidenschaften als deren Sklave einhergehen (Augustinus). Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, sein Tod am Kreuz und seine Auferstehung heilen diese schwärende Wunde im Wesen des Menschen. Die folgenden Jahrhunderte deuten die Lehre des Augustinus von der Ursprungssünde als primär moralischen Defekt. Askese im Sinne der Abtötung des Leibes und seiner sexuellen Begehrlichkeit wird zum Ersatz für das...

Stephanie Höllinger / Stephan Goertz: Sebastian. Märtyrer – Pestheiliger – Queere Ikone

 

Die beiden in Mainz Moraltheologie lehrenden Stephanie Höllinger und Stephan Goertz erzählen in ihrem Buch die Karriere eines der volkstümlichsten Heiligen, die diesen vom römischen Stadtpatron zum Pestheiligen führt und schließlich zu einem Identifikationsobjekt der außerkirchlichen Schwulen- und Queerenbewegung werden lässt.

Nach der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine aus dem 13. Jahrhundert war Sebastian Offizier in der Prätorianergarde des Kaisers Diocletian. Wegen seines Bekenntnisses zum Christentum wurde er zum Tode verurteilt und durch Pfeile von Bogenschützen hingerichtet. Wie durch ein Wunder überlebte er dieses erste Martyrium, wurde daraufhin mit Knüppeln erschlagen und seine Leiche in die Cloaca Maxima geworfen. Doch die Christin Lucina rettete den Leichnam und bestatte...

Kathrin Müller: Das Kreuz. Eine Objektgeschichte des bekannten Symbols von der Spätantike bis zur Neuzeit

In unseren alltäglichen Zusammenhängen erscheint das Kreuz zunächst als Wort und (Bild-)Objekt unproblematisch. Redewendungen wie: „Es ist ein Kreuz mit …“ oder: „XY trägt ein schweres Kreuz“ gehen uns leicht über die Lippen oder man nehme die Tatsache, dass die Ex-Kanzlerin ein „Groß-Kreuz“ als Orden verliehen bekam: Das Phänomen Kreuz regt in diesen Kontexten kaum zu einem strittigen Diskurs an. Es gibt jedoch Lebenszusammenhänge in Gesellschaft und Politik, in denen reale Spannungen zutage treten, etwa dann, wenn man realisiert, dass im Blick auf transnationale humanitäre Hilfeleistungen islamische Länder unter dem Titel „Roter Halbmond“ und Israel entsprechend unter dem „roten Davidstern“ statt unter dem Titel „Rotes Kreuz“ firmieren… Heftiges Konfliktpotential um das Kreuz als...