Den »Christus diakonos« darstellen
Ein Plädoyer für den sakramentalen Diakonat der Frau in weltkirchlicher Perspektive
Von Würzburg nach Frankfurt – der sakramentale Diakonat der Frau als Votum der Ortskirche in Deutschland
Mit der Aufforderung zur Einrichtung des Diakonenamtes
für verheiratete, berufstätige Männer und als
eigenständiges sakramentales Amt mit der Weihe
»zum Dienst« (LG 29), wie es am Ende des 3. Kapitels
der Kirchenkonstitution »Lumen Gentium« des
Zweiten Vatikanischen Konzils heißt, war Bewegung
in die Ämtertheologie gekommen – eine Bewegung,
die für die katholische Kirche bis heute anhält. Dieser
»ständige Diakonat« wird – so die Perspektive des
Konzils – im Rahmen des einen sakramentalen Heilsdienstes
der Kirche als besondere Repräsentanz des
diakonischen Christus – des »Christus diakonos« –
verstanden. Auf dem Konzil stand bereits die Frage
nach dem Frauendiakonat im Raum; die deutschen
katholischen Frauenverbände hatten als Vorbereitung
auf das Konzil »Wünsche« von Katholikinnen an das
Konzil gesammelt, darunter findet sich der Hinweis
auf den Zugang von Frauen zum Diakonat. Am 27./28.
Mai 1961 richtete die weltweit tätige, aus der ersten
Frauenbewegung hervorgegangene Internationale
St. Joan´s Alliance eine Eingabe an die Kommission
für das Laienapostolat, in der sie um die Einführung
des Diakonats für Männer und Frauen bat. Bischof
Paul J. Hallinan (Atlanta, USA), Kardinal Giacomo Lercaro
(Bologna, Italien) und der französische Theologe
Jean Daniélou (seit 1969 Kardinal) brachten
das Thema in die Konzilsdebatten ein. In verschiedenen
Eingaben an das Konzil aus dem
deutschsprachigen Raum – so der Schweizer
Juristin Gertrud Heinzelmann, der deutschen
Theologinnen bzw. Kirchenrechtlerinnen Josefa
Theresia Münch, Ida Raming und Iris
Müller – wurde der gleichberechtigte Zugang
von Frauen zum Amt gefordert. Im Zuge der
Professionalisierung von Caritas und Diakonie
seit Mitte des 19. Jahrhunderts öffneten
sich neue Berufsfelder für Frauen; Frauen
wirken in verschiedensten diakonischen
Diensten auch in enger Verbindung mit einer
(ehrenamtlichen) Tätigkeit in der Gemeinde.
Frauen erwarben religionspädagogische und
katechetische Kompetenzen, das Theologiestudium
wurde für Frauen geöffnet. In genau
diesem Zusammenhang stellte sich in der
deutschen Ortskirche die Frage nach Frauen
im Diakonat. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts
hatte der spätere Münchner Kardinal
Michael Faulhaber historische Studien zum
Frauendiakonat vorgelegt, 1908 segnete er Frauen zu Diakoninnen, es entstand die »Vereinigung
katholischer Diakoninnen«. Edith Stein, damals am
Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik in
Münster tätig, legte 1932 Überlegungen zur Ordination
von Frauen zur Diakonin vor, und in der Liturgischen
Bewegung war der Frauendiakonat ein Thema bei Odo
Casel, Ildefons Herwegen und Pius Parsch.
Diese breite Bewegung stand im Hintergrund des
Beratungsprozesses der Würzburger Synode von 1972
bis 1975, die die Impulse des Zweiten Vatikanischen
Konzils im Kontext der deutschen Ortskirche umsetzen
wollte. In ihrem Beschluss über die
pastoralen Dienste in der Gemeinde hatte
die Synode zum Frauendiakonat Stellung
bezogen und vor dem Hintergrund wissenschaftlicher
Gutachten von Yves Congar,
Peter Hünermann und Herbert Vorgrimler
mit großer Mehrheit folgendes Votum verabschiedet:
Die »Synode bittet den Papst, die
Frage des Diakonats der Frau entsprechend
den heutigen theologischen Erkenntnissen
zu prüfen und angesichts der gegenwärtigen
pastoralen Situation womöglich Frauen zur Diakonatsweihe
zuzulassen.« Bis heute steht eine Antwort
auf dieses Votum von 1975 aus.
Die Arbeit des Forums 3 des von der Deutschen Bischofskonferenz
gemeinsam mit dem Zentralkomitee
der deutschen Katholiken beschlossenen und durchgeführten
Synodalen Wegs der deutschen Ortskirche
(Januar 2021 bis März 2023) knüpft an dieses Votum
zum Diakonat der Frau an und nimmt in dem der 5.
Synodalversammlung vorgelegten Votum – wie schon
die Würzburger Synode – ausdrücklich Stellung zum
Diakonat der Frau als sakramentale Repräsentanz des
»Christus diakonos«. Das ist von Relevanz angesichts
der Sorge um die Zukunft einer von massiven Abbrüchen
betroffenen Ortskirche und der Sorge um die
Evangelisierung, die nicht zu trennen ist von der Frage
nach einer geschwisterlichen Kirche und nach dem
gleichberechtigten Zugang von Frauen – im Hören auf
den Ruf Gottes und mit entsprechenden Kompetenzen
– zu allen Diensten und Ämtern in der Kirche. Diakonische
Funktion und sakramental vermittelte Heilsvollmacht
sind – im Anschluss an die Denkfigur der
Würzburger Synode – nicht voneinander zu trennen.
Das steht in der Logik der Reform der Ämtertheologie,
die das 2. Vatikanische Konzil angestoßen hat,
wenn der apostolische Auftrag der Verkündigung des
Evangeliums und der Heilsdienst zur theologischen
Grundlage der Ämtertheologie werden.
»Die Weihe von Frauen in der westlichen
und östlichen Tradition der Kirche
kann nicht abgestritten werden«
Die deutschen Ortsbischöfe, das Zentralkomitee der
deutschen Katholiken und die Frauenverbände haben
in den letzten Jahren mehrfach eine geschwisterliche
Kirche eingefordert und sich für Geschlechtergerechtigkeit
eingesetzt, von daher ist der Vorschlag von
Walter Kardinal Kasper in einem Vortrag bei der Frühjahrsvollversammlung
2013 der Deutschen Bischofskonferenz,
Frauen zu Gemeindediakoninnen im Sinn
eines nicht-sakramentalen Amts zu bestellen, für den
Kontext der deutschen Ortskirche nicht tragbar. Frauen
leisten wie Männer professionelle diakonische Arbeit
in den verschiedenen Einrichtungen der Caritas,
in Nichtregierungsorganisationen, auf Feldern kirchlicher
Pastoral, und sie erfahren eine ebensolche Berufung
zum Diakonat wie Männer. Das ist die Position
des »Netzwerkes Diakonat der Frau«, eines Vereins,
der nach dem 1997 in Hohenheim durchgeführten
Kongress zum Frauendiakonat gegründet worden ist
mit dem Ziel der Vorbereitung von berufenen Frauen
zum Diakonat. Ob die Kommission zum Frauendiakonat,
die Papst Franziskus zunächst 2016, dann – nach
Einstellung der Arbeit dieser Kommission – 2020 neu
eingerichtet hat, diese Perspektive auf den Frauendiakonat
erarbeiten wird, ist offen. Auftrag der Kommission
ist es, biblisch- und historisch-theologische
Argumente zum Frauendiakonat zu diskutieren. Der
historische Befund – und dazu zählen vor allem auch
in den letzten Jahren erschlossene Weiheformulare
für Diakoninnen – ist eindeutig. Die Weihe von Frauen
in der westlichen und östlichen Tradition der Kirche
kann nicht abgestritten werden, aber die Interpretationen
dieses Befunds gehen weit auseinander: Es wird
sowohl für einen sakramentalen Frauendiakonat in
der Kirche des 1. Jahrtausends argumentiert als auch
die »Andersartigkeit« des Frauendiakonats betont, die
für ein nicht-sakramentales Amt von Frauen spreche;
diese Spannung wurde bereits in den in den 1970er
Jahren geführten Debatten zwischen den Liturgiewissenschaftlern
Cipriano Vagaggini und Aimé-Geor-
PERSPEKTIVEN PERSPEKTIVEN
ges Martimort deutlich. Die Kontroverse weist vor
allem darauf hin, dass die Interpretation des historischen
Befunds nicht ohne die Berücksichtigung der
aktuellen pastoralen Kontexte in den verschiedenen
Ortskirchen und nicht ohne hermeneutisch-theologische
Perspektiven, die den Ertrag der theologischen
Frauenforschung und der feministisch-theologischen
Arbeit aufnehmen, geleistet werden kann.
Plädoyer für einen sakramentalen Diakonat der Frau in weltkirchlich-pastoraler Perspektive
These 1: Die Notwendigkeit der Anerkennung einer
feministisch-theologischen Hermeneutik
Der historische Befund zum Frauendiakonat muss
heute vor dem Hintergrund einer hermeneutischen
und von der Frauenforschung sowie feministischtheologischen
und gendertheoretischen Arbeiten geprägten
Reflexion erschlossen werden. Frauen und
Männer sind in gleicher Weise in diakonischen Leitungsfunktionen
tätig, haben professionelle sozialpädagogische
und theologisch-religionspädagogische
Kompetenzen erworben und sie erfahren in gleicher
Weise eine Berufung zum Diakonat. Diese Berufung
wird auch in den offenbarungstheologisch relevanten
Texten der Heiligen Schrift bezeugt.
Die neutestamentlichen Texte – wie der Hinweis im
Römerbrief auf Phöbe, »unsere Schwester«, »die auch
Diakonin der Gemeinde von Kenchreä ist« (Röm 16,1) –
und einzelne Weiheformulare aus den ersten Jahrhunderten
bezeugen das partnerschaftliche Miteinander
von Männern und Frauen, den gemeinsamen Dienst
an der Verkündigung der befreienden Botschaft Jesu.
Diakoninnen wurden ähnlich wie Diakone geweiht.
Die im Jahr 220 vorgelegte syrische Kirchenordnung
der »Didascalia apostolorum« spricht von einem Diakonenamt
der Frauen, das für die Betreuung von Frauen
in der Gemeinde, für Krankendienste, für die Taufkatechese
und die Taufsalbung von Frauen zuständig
ist. Im 4. Jahrhundert wird auf dem Konzil von Nizäa
(325) zum ersten Mal der Titel »Diakonin« erwähnt,
im 5. Jahrhundert bezeugt das Konzil von Chalcedon
(451), dass es eine Ordination von Frauen gegeben hat;
es legt das Mindestalter der Diakoninnen auf 40 Jahre
fest, macht Vorgaben zur Ehe und Heirat von Diakoninnen
und spricht von einer Weihe mit Handauflegung
und Gebet. Bis in das 12. Jahrhundert hinein
ist die Weihe von Frauen in der westlichen Tradition
nachweisbar, in der orthodoxen Tradition weit darüber
hinaus. Zeugnisse sind vor allem Weiheformulare,
die in den letzten Jahren erschlossen worden sind.
Diese Tradition steht für eine Geschlechtergerechtigkeit,
wie sie Paulus im Galaterbrief zum Ausdruck
bringt, wenn er schreibt, dass es in Christus weder
Juden noch Griechen, weder Sklaven noch Freie, weder
männlich noch weiblich gibt, »denn ihr alle seid
einer in Christus Jesus« (Gal 3,28).
These 2: Die Notwendigkeit der Entfaltung des
Frauendiakonats als eigenständiges sakramentales
Amt
Der Frauendiakonat kann auf dem Hintergrund der
Erneuerung der Ämtertheologie durch das Zweite Vatikanische
Konzil als eigenständiges sakramentales
Amt erschlossen werden. Eine solche Theologie des
(Frauen-)Diakonats wird einen entscheidenden Beitrag
für die Erneuerung der Kirche im Sinne des barmherzigen
und befreienden Evangeliums Jesu Christi,
d. h. einer diakonischen Kirche, leisten können.
Diese Perspektive ist relevant angesichts der jüngsten
Debatten um den Frauendiakonat, die die theologische
Argumentation auf die Frage nach der »repraesentatio
Christi« im sakramentalen Amt fokussieren
und damit an Diskussionen um die Priesterweihe von
Frauen anknüpfen und den Ausschluss von Frauen
aus einem sakramental verstandenen diakonischen
Leitungsamt mit der verbindlichen Entscheidung von
Johannes Paul II. in »Ordinatio sacerdotalis« (22. Mai
1994) begründen. Damit kommt es zu einer nicht hilfreichen
Verengung der Debatten um den Frauendiakonat,
vor allem wirken hier amtstheologische Muster
und die »Entmächtigung« von Frauen nach, zu denen
es im 2. Jahrtausend in der westlichen Tradition in
der Ausgestaltung der scholastischen Amtstheologie
und den Regelungen des Konzils von Trient (1545-
1563) zum dreistufigen Ordo gekommen ist. Ein eigenständiger
sakramentaler Diakonat war hier nicht
mehr vorgesehen. Das eine sakramentale Amt, das Jesus
Christus repräsentiert, entfaltet sich in den Stufen
Diakon, Priester und Bischof und richtet sich am
Amt des Priesters aus, dessen besondere Aufgabe die
Feier der Eucharistie, des »Opfers« Jesu Christi, ist.
Ein kultisch-sacerdotales Verständnis, das das Amt als Repräsentanz Jesu Christi im Gegenüber
zur Gemeinde sieht, prägt die katholische
Amtstheologie bis in die jüngere Vergangenheit.
Frauen haben – qua Geschlecht – keinen
Zugang zum Ordo, Thomas von Aquin
spricht von der Frau als »mas occasionatus«,
als »minderwertigen« Mann.
»Frauen leisten wie Männer
professionelle diakonische Arbeit«
Erst das Zweite Vatikanische Konzil wird
diese Ämtertheologie aufbrechen und das
Amt als Dienst an der Evangelisierung und
am kommunikativen Geschehen der Christuspräsenz
bzw. -repräsentanz und des Miteinanders
in der Gemeinde verstehen. Gerade
vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen
sind im Blick auf den Frauendiakonat eigenständige,
nicht (nur) die Priesterweihe von
Frauen betreffende theologische Argumentationsfiguren
von zentraler Relevanz, analog
zur Ausbildung des ständigen Diakonats
im Zuge der Erneuerung der Ämtertheologie
auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Ein
solches Vorgehen wird auch für die Weiterarbeit
an der über die ekklesiologischen
Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils
erneuerten Ämtertheologie von Bedeutung
sein.
Vor diesem Hintergrund sind heute die
Debatten um den Zugang von Frauen zum
sakramentalen Amt zu führen. Die Einrichtung
eines eigenständigen Frauendiakonats
ohne Weihe kann nicht ein Ausweg und Konsequenz
dieser ungelösten Debatten sein.
Papst Benedikt XVI. hat mit seinem Schreiben
»Omnium in mentem« (26. Oktober 2009)
Wege eröffnet, die Christusrepräsentanz im
diakonischen Amt weiter zu reflektieren. Der
Diakon wird »ad ministerium« geweiht (vgl.
LG 29), er repräsentiert Jesus Christus als
»diakonos«, nicht Jesus Christus als »caput
«, als Haupt. Gewiss, diese beiden sakramentalen
Repräsentationsformen gehören
zusammen, hier kann keine Hierarchisierung
vorgenommen werden, die gerade
den diakonischen Dienst entwerten würde.
Aber die Differenzierung der Perspektiven
der Sakramentalität ermöglicht eine Reflexion
über die eigenständige Ausprägung des
Diakonats und trägt dazu bei, die Qualität
der Kirche als »diakonische Kirche« weiter
zu bestimmen. Gerade in diesem Zusammenhang
wird es von Bedeutung sein, die Qualität eines
Diakoninnenamts für Frauen aus der konkreten diakonischen
Praxis von Frauen zu erschließen.
These 3: Im Dienst der diakonischen Kirche: Der
Frauendiakonat ist ein Leitungsamt und in diesem
Sinn als ein sakramentales Amt zu verstehen, in
dem sich die diakonische Kirche realisiert
Die Caritasverbände in Deutschland haben ca. 660.000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gesundheits-,
Kinder-, Jugend-, Familien- und Altenhilfe sowie
in verschiedenen anderen Bereichen; davon sind
ca. 82 % Frauen; Hunderttausende von Ehrenamtlichen,
darunter wieder ein großer Teil Frauen, unterstützen
diese Bereiche der Caritas. Viele Frauen üben
dabei Leitungsaufgaben aus, haben neben für Sozialarbeit
und Management erworbenen Kompetenzen
auch theologische und religionspädagogische Studien
absolviert, viele engagieren sich auch ehrenamtlich
auf Gemeindeebene. Dies bedeutet jedoch nicht »automatisch
«, dass damit das diakonische Gesicht der
Kirche gestärkt wird. Gerade die Professionalisierung
der Caritas hat im deutschen Kontext auch dazu geführt,
dass Caritas und Diakonie für viele nicht mehr
zum »Kerngeschäft« von Kirche gehören, Sakramentenpastoral
und Katechese stehen im Vordergrund.
Die Einführung des Frauendiakonats kann die Kirche
an die diakonische Grundfunktion der Kirche erinnern,
besonders wenn ein solcher Diakonat von einer
Sozialarbeiterin oder von Frauen in anderen Berufen
der Caritas, aber auch in Schule, Hochschule und in
NGO wahrgenommen wird. Ein solches sakramentales
Amt macht den zentralen Dienst in der Nachfolge
Jesu Christi, im Einsatz für Menschen in (leiblicher
und seelischer) Not und am Rande der Gesellschaft
sichtbar. Die Aufgaben von Frauen im Diakonat unterscheiden
sich kaum von denen der Männer; sicher
wird es auch geschlechtsspezifische Ausprägungen
geben, aber die diakonischen Aufgaben lassen sich
nicht per se am Geschlecht von Frauen oder Männern
festmachen.
Diesen vielfältigen Diensten nachzugehen, die
Frauen (und natürlich auch Männer) aus einer tiefen
Glaubenserfahrung an der Seite der Armen wahrnehmen,
wird helfen, ein relationales Verständnis von Sakramentalität
und eine Repräsentanz des »Christus
diakonos« zu entfalten, die als Vollzug und kirchliche
Praxis zu verstehen sind. Sie erwachsen aus dem Anruf
Gottes im lebendigen und dynamischen Miteinander
der Vielen im Volk Gottes, und ihre Antwort
auf diesen Ruf »konkretisiert« sich in den Diensten
an den Armen, den Notleidenden und der geschundenen
Schöpfung. Genau das ist der Raum, in dem sich
das diakonische Amt ausprägt. In dieser Gestalt eines
diakonisch-sakramentalen Amts geht es vor allem darum,
das barmherzige, heilende und befreiende Wirken
Jesu Christi gerade dort »präsent« zu machen, wo
die Not zum Himmel schreit, wo Stärkung, Begleitung
in Schuld, Trauer und Angst nötig sind. Die weltkirchliche
Perspektive von »Gaudium et Spes« und die ekklesiologischen
Impulse von »Lumen Gentium« sind
in diesem Sinne zusammen zu lesen bei weiterführenden
– und die Fixierung auf Geschlechtertypologien
aufbrechenden – Gestalten der »Repräsentanz Jesu
Christi«. Diese Christus-Repräsentanz kann nicht an
der Person – und noch weniger an einer geschlechtsspezifisch
bestimmten Person – festgemacht werden,
sondern es ist das dichte Beziehungsgeflecht, in das
sich Gottes barmherzige Liebe einschreibt, die »Welt«,
die im Dienst am Nächsten entsteht und die leben
hilft, in der die »Christusrepräsentanz« aufgeht. In
der lateinamerikanischen Theologie wird diese Sakramentalität
in der Dichte der Begegnung mit den Armen
erschlossen; aus und in dieser Begegnung wird
Christus präsent, und er wird repräsentiert in dieser
heilvollen Begegnung, in der Wirklichkeit gewandelt
wird und eine »neue Welt« wird. In ihren vielfältigen
Diensten an den Armen und Notleidenden bezeugen
auch die Frauen den »Christus diakonos«, und wenn
dieses Zeugnis mit dem Dienst am Tisch des Herrn
verbunden ist, wird die Diakonia der Frauen in der Gemeinde
und in der Feier der Liturgie repräsentiert. So
profiliert sich das Gesicht einer diakonischen Kirche,
und eine auf sakramentale Vollzüge fokussierte Kirche
wird auf den Urgrund auch dieser Sakramentalität
zurückgeführt: die liebende, heilende, befreiende
und erlösende Zuwendung Gottes zu den Menschen.
»Die Einrichtung eines eigenständigen
Frauendiakonats ohne
Weihe kann nicht ein Ausweg
und Konsequenz dieser ungelösten
Debatten sein«
Insofern ist die Einrichtung des Frauendiakonats Ausdruck
einer »Gnadenchance« für die Kirche, und gerade
deshalb kann dies kein bloßes Anliegen der Frauen
sein. Die Kirche selbst wächst auf diesen Wegen immer
mehr in die Christusgestalt hinein; sie wird dem
gleichgestaltet, der, »obwohl er doch in Gottesgestalt
war, … sich selbst entäußert und Knechtsgestalt angenommen
« hat (Phil 2,6; vgl. LG 8). Im sakramentalen
Amt des Diakonats wird diese »Entäußerung« in die
Welt in das »Herz« der Kirche hineingetragen. Wenn
die Praxisformen und sakramentalen Vollzüge der
Kirche von dieser diakonischen Grundform geprägt
sind, wird die Welt gewandelt, alles Unheil, Not und
Elend, und es wird etwas »sichtbar« von der heilenden
und befreienden Kraft des barmherzigen Gottes.
Ein so verstandener Diakonat wird helfen, die Ämtertheologie
aufzubrechen, wird Abschied nehmen
von Klerikalismus und Macht, und gerade deshalb
kann die Kirche nur »gewinnen«, wenn sie den Diakonat
in diesem Sinne zusammen mit Frauen entwickelt
und wenn sie den Frauen den Zugang zu einem solchen
sakramentalen Diakonat ermöglicht.
Zur Person
Margit Eckholt
ist Professorin für Dogmatik
und Fundamentaltheologie an der Universität Osnabrück.
Sie ist Mitglied in der Synodalversammlung und
im Forum 3 des Synodalen Wegs. Frau Eckholt ist Präsidentin
der Europäischen Gesellschaft für katholische
Theologie und Leiterin des Stipendienwerkes Lateinamerika-
Deutschland (ICALA).