Bertolt Brecht hat unrecht mit dem Satz aus seinem „Leben des Galilei“, dass nur das Land glücklich zu heißen sei, das keine Helden braucht. Das Gegenteil ist der Fall: Glücklich das Land, das noch Heldinnen und Helden kennt! Dabei denke ich nicht an die von Kraft strotzenden Helden des Altertums oder Mittelalters, an Achill oder an Siegfried. Erst recht nicht an den martialischen Kriegshelden, der den menschenfeindlichen Ideologien zu allen Zeiten gerne als Projektionsfigur diente.
Helden unserer Zeit sind für mich Menschen, die sich nicht in der Komfortzone der Gesellschaft wohlig eingerichtet haben und bei denen die fortdauernde Selbstoptimierung mit Glück verwechselt wird. Helden unserer Zeit verspüren und artikulieren einen Mangel an Gerechtigkeit, der sie zum Handeln treibt, obwohl sie das Risiko ihres Einsatzes kennen, es aber nicht scheuen. Es sind Menschen, die bereit sind, Verantwortung
zu übernehmen, auch um den Preis des eigenen Nachteils und
Scheiterns. Und die sich dabei ihrer Taten nicht rühmen, die wieder zurück in die Reihe treten, wenn das Nötige getan wurde.
Glücklich das Land, das solche Heldinnen und Helden kennt.
Die erste Ausgabe unseres konzeptionell wie grafisch überarbeiteten Magazins Eulenfisch handelt von solchen Helden, die uns zum Vorbild werden können: Petrus und Paulus, Esther, Madeleine Delbrêl, Richard Henkes, Judith und stellvertretend für die
zahllosen namenlosen Bootsflüchtlinge – der Tomatenpflücker
als zeitgenössischer Odysseus. Sie alle erweitern auf ihre besondere Weise unseren Begriff des jeweils Möglichen. Sie bezeugen stellvertretend, dass zu handeln auch in schwierigsten
Situationen möglich ist. Denn: Held wird man durch die Tat.
»Ich will eine Karriere im Tourismus-Management machen. Vor dem Krieg in Syrien war ich dort schon erfolgreich in dieser Branche.«
Jalal Kasouha stammt aus Syrien und arbeitete vor seiner Flucht nach Deutschland erfolgreich in der Tourismusbranche: „Ich will eine Karriere im Tourismus-Management machen“ – so beschreibt er ohne Umschweife seine Zukunftspläne. Flüchtlinge wie Jalal Kasouha irritieren. Sie passen nicht in unser Bild vom Flüchtling als Objekt der Fürsorge. Stattdessen verkörpern sie einen ansteckenden Pioniergeist.
Wir haben Menschen des Aufbruchs kennengelernt, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um sich selbst und ihren Familien zu helfen. Für uns sind sie Helden unserer Zeit.