Kirche muss demütiger werden
Das Titelbild mit Richard Henkes, dem Märtyrer der Barmherzigkeit, illustriert unsere Ausgabe zum Thema „Widerstand und Demut”. Die Kirche hat den Pallottinerpater kürzlich in Limburg seliggesprochen: „Einer muss da sein, es zu sagen.“ Er sagte, was nicht mehr gesagt werden durfte, wurde verhaftet und ins KZ Dachau deportiert, wo er sich bei der Pflege Typhus- kranker ansteckte und starb. In seinem kurzen Leben leuchtete für einen Moment auf, wie Kirche sein sollte: barmherzig und der Wahrheit verflichtet, und das alles im Geist der Demut.
Widerstand gegenüber der sündigen Welt ist ein starkes Narrativ, das das Selbstverständnis der Kirche seit ihren Anfängen als Märtyrerreligion be-stimmt. Christlicher Widerstand ist dabei aber nie ein stolzer Widerstand, der den Triumph über den anderen oder sogar seine Vernichtung sucht. Christlicher Widerstand wird vielmehr im Modus der Demut geübt. Sie betet für ihre Feinde und hofft bis zuletzt, dass die Liebe stärker ist als der Tod und die Wahrheit sich gegen die Lüge am Ende durchsetzt.
Der Festtag des hl. Stephanus – gleich nach Weihnachten – verdeutlicht die Spannung zwischen der Freude über die Geburt Jesu und der Bedrohung des Lebens bis zum gewaltsamen Tod des Diakons mittels Steinigung durch eine Gruppe fundamentalistischer Wahrheitsbesitzer um einen Saulus herum, dem späteren Apostel Paulus. Stephanus‘ Widerstand besteht im geistigen Widerstehen und im Gebet für seine Mörder, für die er auch den Himmel offen sieht. Widerstand, der im Modus der Demut versöhnen statt weiter spalten will und der sich inkarniert im Opfer des eigenen Lebens.
Im christlichen Koordinatensystem nimmt Demut neben der Barmherzigkeit somit einen zentralen Platz ein. Es sind Haltungen, die sich querlegen, widerständig sind und uns so auf heilsamen Abstand zu den Regeln unserer verwalteten und verbürgerlichten Welt bringen (vgl. Mt 23,11: Der Größte von euch soll euer Diener sein). Haltungswechsel sind auch bei der Kirche gefragt. Der Missbrauchsskandal hat vieles ins Rollen gebracht und ruft nach einer grundlegenden Reform. Der soeben begonnene Synodale Weg kann hier für mehr Ehrlichkeit sorgen – für die Einübung von Demut sicher eine gute Gelegenheit.
Zwischen Kirchturm und Stacheldraht schaut uns Pater Richard Henkes an. Er trägt die Soutane seiner Gemeinschaft, der Pallottiner. Sein Blick ist freundlich. Der Schulterkragen der Soutane scheint vom Wind bewegt zu werden und drückt so Dynamik aus. Der Kirchturm symbolisiert das Leben als Priester und die unerschrockene Verkündigung des Pallottinerpaters, während der Stacheldraht sein Martyrium im KZ Dachau als Zeuge der Barmherzigkeit kennzeichnet. Die Illustratoren Alexandra Kardinar und Volker Schlecht zeigen uns einen zuversichtlichen Richard Henkes, der seinen Weg gegangen und dabei stand-haft geblieben ist. Leid und Tod haben nicht das letzte Wort behalten. Die Arbeitsgebiete der unter dem Namen Drushba Pankow arbeitenden Illustratoren reichen von der Buchgestaltung, von der gezeichneten und digitalen Illustration, Infografik bis zu Comic, Graphic Novel und Animationsfilm. Auftraggeber sind u.a. Die Zeit, Rolling Stone, The New Yorker, Leipziger Buchmesse, arte Magazin.