Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

02_2021

Füreinander

Editorial

Aus dem fernen Osten ist zu hören, dass die alleinherrschende kommunistische Partei
Chinas über ein Sozialkredit-System versuchen will, das soziale und politische
Verhalten ihrer Bevölkerung zu steuern. Mit Hilfe eines online gestützten Ratings
soll demnach über die Vergabe von »Punkten« wünschenswertes soziales Verhalten
belohnt und im Sinne der Partei »unsoziales« Verhalten durch Punktabzug bestraft
werden. Wer einen niedrigen Punktestand erreicht, muss mit Einschränkungen in
seinem alltäglichen Leben rechnen – bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes. Mit Hilfe
von Big Data und künstlicher Intelligenz wird so eine Kultur des Misstrauens mit dem
Ziel totaler Überwachung und Herrschaft angestrebt. Was hat dieses erschreckende
Gesellschaftsexperiment aber mit uns zu tun?

Wir erleben angesichts der 4. Welle der Corona-Pandemie eine Zuspitzung der Debatte
über eine allgemeine Impfpflicht. Nichtgeimpfte werden schon jetzt in ihrer Bewegungsfreiheit
eingeschränkt. Wir alle, vor allem aber Kinder und Jugendliche und ihre
Familien, haben noch die früheren Lockdowns schmerzlich in Erinnerung. Sie haben
Spuren im Leben der Menschen hinterlassen. Individuelle Freiheitsrechte wurden und
werden eingeschränkt, um die Pandemie in den Griff zu kriegen. Unsere Solidarität
wird erneut auf eine harte Probe gestellt.

Und dennoch zeigt sich in der nicht enden wollenden Corona-Krise,
aber auch in der vorbildlichen Bewältigung der Flutkatastrophe an
der Ahr mit über 100.000 freiwilligen Helfern, dass trotz der Verschärfung
der Tonlage eine Kultur der Solidarität und des Füreinander von
weiten Teilen der Bevölkerung gelebt wird. Die staatlich verordneten
Einschränkungen zielen ja eben nicht auf einen Überwachungsstaat,
sondern sind letzte (!) Mittel, nachdem andere Maßnahmen sich nicht
als ausreichend erfolgreich erwiesen haben, um Leib und Leben der
Bevölkerung schützen zu können: Freiheit in Verantwortung.

Die Caritas, auf deren Gründung vor 125 Jahren durch den Limburger
Priester Lorenz Werthmann wir im nächsten Jahr zurückblicken,
steht für diese Kultur des Füreinander und der sozialen Freundschaft
im Sinne der jüngsten Sozialenzyklika »Fratelli tutti«. In den sozialen
Verwerfungen des 19. Jahrhunderts hat Werthmann prophetisch
erkannt, was Christinnen und Christen der Welt aus ihrem Glauben an den Gott des »Ich-bin-da« schenken können, nämlich ein Narrativ vom Menschen –
das der selbstlos tätigen und sich schenkenden Liebe, die wir als Caritas bezeichnen.
Das diesjährige Weihnachtsfest führt uns die unauflösliche Spannung des Schon und
des Noch-nicht vor Augen. Wir feiern die Verheißung, dass einer, auf dem der Geist
Gottes ruht, mit seiner Sendung gegen das Leid und den Schmerz einsteht.

Perspektiven

THOMAS SCHUMACHER
Caritas – die Nachfolge Jesu als Markenkern?
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FRA’ GEORG LENGERKE
Christlich durch die Decke gehen
FRANZISKUS VON HEEREMAN
Für! Statt bloß gegen Gegen
HARTMUT SOMMER
Das neue Narrativ vom Menschen
MICHAEL HOCHSCHILD
Der ethologische Imperativ
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JÖRG KLÄRNER IM INTERVIEW
»Wir sind eine moderne Wertegemeinschaft«

Kultur

FOTOSTRECKE
Einer für alle, alle für einen!
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KARL HEINZ KÖNIG
Etwas, das größer ist als wir
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THOMAS MENGES
Über Wunder und Wunden des Wirklichen
REINHARD DAßLER IM INTERVIEW
»Ich lasse mich auf die Wirklichkeit ein«
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THOMAS MENGES
Anderen beistehen
ECKHARD NORDHOFEN
Weihnachten – Gott ist Mensch geworden

Praxis

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SUSANNE NORDHOFEN
Philosophieren mit Kindern
SUSANNE NORDHOFEN
Wieso? Weshalb? Warum?
GABRIEL HEUN
»Ist denn Jesus immer noch bei Dir?«
HUBERTUS MARIA HOLSCHBACH
Kleine Helden – Schulwege global
THOMAS MENGES
Unsichtbar und doch nah
ANDREAS THELEN-EISELEN
Digitale Entdeckungsreise
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JAN KANTY FIBICH
Not sehen und handeln
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PETRA BROO
»Was brauchst du für ein gutes Leben?«

Forum

BARBARA REICHWEIN
»Kein Tag wie der andere«
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EVA M. WELSKOP-DEFFAA
Learnings in der Krise
BISCHOF GEORG BÄTZING
Kehrt um, denkt neu!
INTERVIEW MIT INGO PROFT
Kontextsensibel sein!

Titelbild

Die Fotomontage von Jonathan Schoeps, dem wir bereits unser Cover zum Thema »Trinität« verdanken,
schafft es mit dem vorliegenden Titelbild zu unserer Magazinausgabe »Füreinander« erneut,
eine überzeugend moderne Bildsprache zu entwickeln: Wir sehen Hände, die sich suchen, die in den
Raum hineintasten, die sich öffnen und ausstrecken und die zupacken. Im Zentrum der Montage
steht ein Handschlag, der in ein warmes Licht gestellt ist. Die Hände, die auch unterschiedlich in ihrer
Hautfarbe sind, überwinden einen Stacheldraht und finden zueinander. Bedürftige Hände treffen auf
helfende, rettende, fürsorgliche Hände. Assoziationen zu den Fernsehbildern an der Grenze zu Belarus
kommen in den Sinn und können als eine Bewegung von Unfreiheit in Richtung Freiheit gedeutet
werden. Eine zweite Bewegung führt von oben nach unten. Sehen wir hier Lichtkreise oder Sonnen?
Oder ist es vielleicht das Licht, von dem Jesus spricht, dass er das Licht der Welt sei (Joh 8,12) und der
ihm nachfolgt, nicht in der Finsternis wandeln wird, sondern selbst Licht der Welt werden kann, wenn
Christus in und durch ihn wirkt? Caritas urget nos – die Liebe bewegt uns!

(c) Jonathan Schoeps