Diejenigen, die in ihrem Leben, wie die Mafiosi, diesen Weg des Bösen beschreiten, sind
nicht in Gemeinschaft mit Gott: Sie sind exkommuniziert!“ – den Worten des Papstes gegen
das Treiben der Mafia fehlt es nicht an Klarheit und Konsequenz. Er nennt das Übel beim
Namen und belegt all jene, die sich in den Dienst der Mafia stellen, mit der weitreichendsten
Strafe der Kirche – der Exkommunikation. Dafür ist der Papst extra nach Kalabrien gefahren,
er wollte den Eltern des dreijährigen Cocò Trost spenden. Ihr Kind war durch einen Kopfschuss
getötet und anschließend verbrannt worden. Dieses ermordete Kind entlarvt die Verlogenheit
des Ehrbegriffs der Mafiosi: die Lüge von der Ehrengemeinschaft, der Beschützerin
der Armen und Schwachen, die angeblich für Gerechtigkeit, Arbeit und sozialen Frieden sorgt.
Wieder einmal hat Papst Franziskus mit dieser starken Geste gegen das organisierte Verbrechen
ein sicheres Gespür für die Zeichen der Zeit bewiesen, für das, was gesagt werden muss
und das so gesagt werden will, dass es verstanden und medial rezipiert wird.
„Exkommunikation“ ist in seiner Symbolkraft ähnlich stark wie der Begriff „Antichrist“.
Und gemeinsam ist beiden Begriffen, dass sie fast aus dem kirchlichen Sprachschatz ausgewandert
sind, wofür es sicher auch gute Gründe gibt. Gleichwohl hätte Papst Franziskus
auch ohne Weiteres in seiner harschen Predigt in Kalabrien sagen können, dass für ihn ein
Mafiosi der Antichrist ist. Das hätte nicht weniger gesessen. Wer aber ist der Antichrist, dem
der EULENFISCH in seiner jüngsten Ausgabe auf die Spur kommen möchte? Der Antichrist
ist jedenfalls nicht identisch mit den allseits bekannten Bösewichtern wie Teufel und Dämonen
und ihr lichtscheues Gefolge. Der Antichrist ist der Gegenspieler und die Gegenmacht zu
Jesus Christus in der zweifachen Lesart von „anti“ im Griechischen im Sinne von „gegen“ und
„anstatt“. Er ist ein Irrlehrer und Lügner. Und da seine Botschaft etwas Verführerisches hat,
ein talentierter Verführer. Im Dom von Orievieto hat Luca Signorelli zu unserem Thema eine
beeindruckende Wandmalerei hinterlassen, die den Titel „Die Predigt des Antichrist“ trägt
(vgl. S.7). Signorellis Antichrist ist eine schillernde Christustravestie, weil er Jesus zum Verwechseln
ähnlich sieht – seine Augen aber verraten ihn.
Eine Beschäftigung mit der Anti-Christ-Figur im Religionsunterricht scheint lohnend, weil
sie erlaubt, einen platten Gut-Böse-Dualismus zu vermeiden und sich der Faszination, die das
Böse auf den Menschen in vielerlei Gestalt ausübt, zu stellen. „Sympathy for the Devil“ heißt
ein Rocksong der Rolling Stones aus den 60er Jahren. Er steht für die kulturelle Präsenz und
Vitalität des Antichrist-Motivs in zeitgenössischer Musik, Film und Literatur. Nicht zuletzt
kann das Paradigma vom Antichrist als Instrument der aktuell pointierten Zeitdiagnose dienen,
im Sinne, was Christus heute dient und was ihm nicht dient.