Was in Zeiten des Krieges hilft
Rainer Oberthürs »Der Friedenssucher« im Relgionsunterricht
Im März 2023 erschien aufgrund der aktuellen
weltpolitischen Situation eine überarbeitete Neuauflage
des Friedenssuchers, der zum ersten Mal
2018 veröffentlicht wurde. Sie kam zur rechten Zeit.
Der festgefahrene Krieg in der Ukraine im zweiten
Jahr und die seit 07.10.2023 eskalierenden Kämpfe in
verschiedenen Regionen Israels und im Gaza-Streifen
sowie die vielen Brandherde in der ganzen Welt, die
man nur erahnt, da sie es nicht in die täglichen Nachrichten
schaffen, lassen zweifeln, dass Frieden umfassend
möglich sein kann. Auf den Straßen in Deutschland
und anderen Ländern wird ausgetragen, was
häufig im Verdeckten schlummerte, nun durch Propaganda
angeheizt und durch Social Media verstärkt
wird: Die Unfähigkeit einer gemäßigten, respektvollen
und klugen Kommunikation und die mangelnde Anerkennung
unterschiedlicher Einstellungen und Standpunkte,
was in ihrer Konsequenz eine demokratische
Grundordnung infrage stellt.
Was wir und unsere Kinder und Jugendlichen erleben,
ist eine Welt, in der die Krisen überhand zu nehmen
scheinen und Sorgen und Kummer anwachsen.
Es stellt sich gerade für Lehrkräfte die Frage, was
sie den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen
auf ihre Fragen nach den Gründen für Krieg, Leid und
Tod sagen sollen. Es kann nicht bei der Darlegung von
Fakten und geschichtlichen Hintergründen bleiben.
Die emotionale Ebene, die Betroffenheit der Kinder
und Jugendlichen muss ernst genommen werden. Die uneingeschränkte Ehrlichkeit in der Diskussion, dass
es das Scheitern in den Anstrengungen um Frieden
gibt, hilft. Die formulierte Hoffnung, dass es ausgewogene
Kompromisse geben kann, hilft. Die Verdeutlichung
der christlichen Friedensbotschaft, die für jeden
im Kleinen eine Orientierung in der Verzweiflung
bei der Betrachtung des Großen anbieten kann, hilft.
Das Bewusstsein schaffen, dass jeder Mensch bei sich
selbst anfangen muss, hilft.
Friedenssucher
Der Friedenssucher von Rainer Oberthür nimmt mit
auf eine Reise durch die Geschichte und zeigt Szenen,
in denen das Frieden halten misslungen und gelungen
ist. Grundlage für dieses Buch ist die Ausstellung
des Bistums Münster »Frieden. Wie im Himmel so auf
Erden« (2018) im LWL-Museum für Kunst und Kultur
in Münster. Um fünfzehn Bilder dieser Ausstellung
herum ist eine Rahmenhandlung entstanden, in deren
Mittelpunkt eine kleine Taube steht. Nach langem
Umherfliegen kommt sie in ein Museum. Dort werden
Lamm und Löwe aus der Darstellung, die den Frieden
nach den Beschreibungen des Propheten Jesaja zeigt
(S. 8), lebendig. Sie begleiten die Taube, erklären ihr
die Darstellungen und geben Antworten auf die vielen
Fragen der Taube nach Frieden.
Von dem Graffiti einer Friedenstaube mit kugelsicherer
Weste an einer Grenzmauer in Israel von 2017
(S. 16) über eine Darstellung des neuen Jerusalems aus
dem 19. Jahrhundert (S. 32) bis zum Foto vom Weltgebetstreffen
1986 (S. 72) und ein Gemälde, das die Symbole
der drei Weltreligionen zu einem Wort »Coexist«
(2015, S. 74) verbindet, werden unterschiedlichste Impulse
zum Nachdenken über den Frieden angeboten.
Am Ende erkennt die Taube für sich, dass sie sich
selbst für den Frieden einsetzen kann. Sie ist erstarkt
aufgrund der Einsicht, dass die Hoffnung über das
Scheitern siegen und jeder selbst seinen Beitrag für
ein friedliches Miteinander leisten kann; dass jeder
zum Friedensstifter werden kann.
Der Friedenssucher ist empfohlen für Kinder ab
9 Jahre, und er soll Menschen ansprechen, die den
Frieden suchen. Die Gestaltung und Farbigkeit der
Bilder bieten viele Möglichkeiten, mit Kindern im
Grundschulalter und in den unteren Klassen der weiterführenden
Schulen ins Gespräch zu kommen. Eine
Herausforderung ist die Fülle des Angebots und die
didaktische Aufbereitung. Es ist wichtig zu prüfen,
welches Kunstwerk mit welcher Intention präsentiert,
erklärt und gedeutet werden soll. Die in verständlicher
Sprache auch für jüngere Kinder verfassten Erklärungen
von Lamm und Löwe können gute Anstöße
zum Austausch und zur Orientierung anbieten. Wenn
geplant ist, den Friedenssucher in Gänze in Grundschulklassen
zu bestaunen, zu lesen und zu besprechen,
sollte dafür viel Zeit eingeräumt werden, da
es eine Fülle von Aspekten gibt, die methodisch gut
überlegt darzubieten sind. Zudem ist es sinnvoll, die
jeweiligen Kunstwerke in einer größeren Projektion
zu zeigen, da das kleine Buchformat es nicht zulässt,
sich Details anzuschauen.
Kinder zum Überlegen bringen
Die sparsam gehaltenen Zeichnungen der drei Tiere
sind sehr wohltuend und dennoch prägnant im Ausdruck.
Es ist sogleich die Stimmung zu erkennen, die
das jeweilige besprochene Kunstwerk bei den drei
Tieren hervorruft. Dies kann eine Brücke schlagen zu
den Empfindungen der Kinder, die das Kunstwerk betrachten.
Zudem ist das Buch mit sehr ansprechenden und
bunten ergänzenden Bildern ausgestattet. Jedes einzelne
dieser Bilder ist eine Besprechung wert. Sie lediglich
als Ergänzung anzunehmen, wird ihnen nicht
gerecht. Beispielsweise zeigt das Bild auf S. 18/19
ein Kind, das Seifenblasen bläst. In den Seifenblasen
sind fröhliche, friedliche Szenen, die Natur, Tiere und
Freundschaft zeigen. Manche Seifenblasen haben kein
Motiv. Sie könnten von den Kindern mit ihren Wünschen
und Träumen gefüllt werden. Manche Seifenblasen
sind auch zerplatzt und sie ermöglichen die
Frage, welche Hoffnungen sich nicht erfüllt haben.
Diese Aspekte in den jeweiligen Lebenskontext der
Kinder zu bringen, erfordert Sensibilität und Empathie.
Verknüpft mit den Erklärungen des Lamms, das
dem kleinen Vogel die Intention der zehn Gebote, des
Vater unseres und den Seligpreisungen nahebringen
möchte, wird ein umfangreiches Angebot gemacht, so
dass die Kinder ins Überlegen kommen, wie die Umsetzung
im eigenen Leben zu schaffen sein könnte,
damit wirklich Frieden gebracht und Nähe zu Gott erreicht
wird (S. 29-31).
Es ist unsere Aufgabe als Begleitende von Kindern
und Jugendlichen und in unseren Peergroups ehrliche
Hoffnung aufgrund der Frohen Botschaft des Evangeliums
zu machen, so dass Stärkung, Konflikt- und
Kompromissfähigkeit sowie Mitgefühl wachsen und
Bestand haben.